„Niemals werde ich ihn vergessen.“
8. Oktober 2019
„Wenn ich ein Künstler wäre, würde ich aus dem Gedächtnis ein Porträt von Erich Boltze zeichnen. Ich sehe ihn oft deutlich vor mir. Niemals werde ich ihn vergessen. […] Dort, in den Lagern des Todes, habe ich verstanden, dass der Faschismus auch Deutschland nicht besiegen kann.“
Mithäftling Pjotr Schtschukin
Erich Richard Adolf Boltze wurde am 2. September 1905 in Weißensee – damals noch „bei Berlin“ in eine Arbeiterfamilie hineingeboren. Seine Eltern bewohnten in der Pisstoriusstraße 28 eine Kellerwohnung, wo er mit drei Geschwistern aufwuchs. Er besuchte die Volksschule und erlernte danach das Tischlerhandwerk. Nach der dreieinhalbjährigen Lehrzeit war er bis 1926 in verschiedenen Berliner Betrieben als Tischler tätig. Von 1926 bis 1929 arbeitete er als Kassenbote bei der Generalvertretung der Finanzen der Sowjetunion in Berlin und nach einjähriger Arbeitslosigkeit dann (bis 1932) als Bürobote bei der SOJUSJOL GmbH. Von 1932 bis Anfang 1934 war er Bürobote in der Handelsvertretung der UdSSR und ab Februar 1934 bis November 1936 Kontorist (kaufmännischer Angestellter) in deren Botschaft. Diese Arbeit musste Erich Boltze im Zusammenhang mit seiner illegalen Tätigkeit aufgeben. Danach arbeitete er bis zu seiner Festnahme durch die Gestapo in verschiedenen Berliner Betrieben wieder als Tischler.
Erich Boltze wurde 1919 Mitglied der Freien Sozialistischen Jugend, die sich zu einer kommunistischen Jugendorganisation entwickelt hatte (ab September 1920: Kommunistische Jugend Deutschlands). Bis 1927 übte Erich Boltze verschiedene Funktionen im Kommunistischen Jugendverband im Arbeiterbezirk Wedding aus (Unterkassierer, Gruppenleiter, Schulungsleiter). Gewerkschaftlich war er seit 1920 im Deutschen Holzarbeiter-Verband organisiert. 1925 wurde er Mitglied der KPD; er war Schulungsleiter im KPD-Unterbezirk Berlin-Nord. Erich Boltze war Mitglied der Roten Hilfe Deutschlands, des Verbandes proletarischer Freidenker (VpF) und des Arbeitersportvereins „Fichte“ (Abteilung Kanusport). Nach 1933 arbeitete er illegal in Berlin-Neukölln.
Am 21. September 1937 wurde Erich Boltze wegen seiner Tätigkeit in der verbotenen KPD verhaftet und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. In der Urteilsbegründung heißt es: „Am schwersten von den Angeklagten zu bestrafen war der Angeklagte Boltze. Er war und ist überzeugter Anhänger des Kommunismus und ist anscheinend nicht gewillt, sich umzustellen.“ Seine konsequente Haltung und sein offenes Bekenntnis zum Kommunismus vor Gericht und während der Haftzeit trugen dazu bei, dass er nach Verbüßung der Haft nicht entlassen wurde, sondern in das Konzentrationslager Sachsenhausen kam. Auch im Lager leistete er illegale Arbeit. Seine Tätigkeit in der Schreibstube nutzt er, um Mitgefangenen ihr schweres Los zu erleichtern. Er organisierte im Lager marxistische Schulungszirkel und kümmerte sich besonders um die ausländischen Häftlinge.
Am Abend des 11. Oktober 1944 wurden Erich Boltze und weitere dreiundzwanzig deutsche sowie drei französische Antifaschisten wegen „versuchter Meuterei und Aufwiegelung“ von einem SS-Kommando des Lagers in der „Station Z“ erschossen. Hintergrund der Morde waren eine Rundfunk-Abhörstelle und im Lager hergestellte Flugblätter, die am 27. März 1944 von der SS in Sachsenhausen entdeckt wurden. Danach begann eine Sonderabteilung des NS-Reichssicherheitshauptamtes mit Untersuchungen, um die internationale Widerstandsorganisation im Lager zu zerschlagen. Nach mehrmonatigen Ermittlungen und trotz des Einsatzes von Spitzeln gelang der Kommission aber nur der Nachweis, dass von deutschen Kommunisten eine Solidaritätsaktion unter den Häftlingen organisiert wurde.