Nie vergessen. Niemals. Nicht ein einziges Opfer.

5. November 2021

„Er [der Vater] wusste nicht, dass wir sehr bald über Berge von Scherben stolpern würden, über blutig schneidende Fensterglasscherben; und wären’s nur die allein gewesen, hätte jene Nacht … vielleicht noch mit etlicher Berechtigung den heimtückisch verharmlosenden Namen verdient, den man ihr späterhin verlieh: diese an Brutalität und Raublust alles bisher Dagewesene übersteigende REICHSKRISTALLNACHT. Mörderische Nacht mit ihrem Wüten, Kreischen, Johlen, ihren Rasereien, Plünderungen, Treibjagden und Fluchten von Versteck zu Versteck über scheppernde, klirrende Scherbenhaufen – sie blieb uns eingebrannt. Lange Zeit hindurch bedurfte es nur eines Klingelns an der Tür, eines Streichholzflämmchens, eines zerspringenden Glases, um es sogleich zurückzurufen: das Bersten der Schaufenster, das Lodern des Feuers aus den Kuppeln der Synagogen …“

Der jüdische Grafiker und Schriftsteller Peter Edel (1921-1983),
Überlebender des Holocaust, in seiner Autobiographie
„Wenn es ans Leben geht“

Das sich seinem Ende zuneigende Jahr 2021 erinnerte auf vielfältige Weise auch an 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland, an 350 Jahre Jüdische Gemeinde in Berlin. Und an den Antisemitismus, der jüdisches Leben in all den Jahrhunderten begleitete. Ihn gab es nicht erst seit dem 30. Januar 1933 und er verschwand nicht mit dem 8. Mai 1945. Erinnert sei zum Beispiel an den Berliner Antisemitismusstreit, ausgelöst durch einen Aufsatz Heinrich von Treitschkes (1834-1896), der den Satz prägte „Die Juden sind unser Unglück“, später Untertitel des NS-Propagandablattes „Der Stürmer“. Noch immer ist in Steglitz eine Straße nach ihm benannt. Mit der Übertragung der politischen Macht an Hitler als Reichkanzler wurde Antisemitismus offizielle Staatspolitik. Der faschistische Boykottaktionstag am 1. April 1933, das „Gesetz über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ aus dem gleichen Monat, die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933, die „Nürnberger Rassegesetze“ 1935, die „Arisierung“ des Wirtschaftslebens ab 1936, die „Juni-Aktion“ 1938, das Novemberpogrom 1938 … Vorstufen zum Völkermord an den europäischen Juden. – Spuren all dessen auch in Weißensee. Wer sehen will, kann sie finden: Stolpersteine, Gedenktafeln, Namen, Orte. Und wer das „Nie wieder“ ernst meint, muss – nicht nur in Zeiten der Pandemie – antisemitischen Verschwörungsmythen und allen Versuchen, den Holocaust zu relativieren, widersprechen, laut und deutlich.


Einer Pressemitteilung des Bezirksamtes Pankow ist zu entnehmen, dass am Dienstag, dem 9. November um 12:30 Uhr auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee, Herbert-Baum-Straße, Vertreter des Bezirksamtes und der BVV im stillen Gedenken an die Opfer der Pogrome von 1938 Kränze niederlegen werden.

Junge Antifaschistinnen und Antifaschisten treffen sich dort am 9. November, um 15 Uhr zu einer Gedenkveranstaltung.

Rund um das 9. November-Gedenken finden in Lichtenberg und Hohenschönhausen mehrere Veranstaltungen und Stolpersteinspaziergänge statt >>>

Vertreter des Bezirksamtes und der BVV Lichtenberg erinnern am 9. November um 15 Uhr am Gedenkstein in der Konrad-Wolf-Straße 91 an die Novemberpogrome von 1938.

Am 10. November, ab 15:30 Uhr findet in Weißensee ein öffentliche Kiezspaziergang „Über Geschichte Stolpern“ mit Jugendlichen der Max-Bill-Schule Weißensee statt, ein Projekt der Deutsche Gesellschaft e. V. – Treffpunkt: Werner-Klemke-Park (Ecke Woelckpromenade/Amalienstraße), von dort aus wird der Weg in Richtung des jüdischen Friedhofs Weißensee führen (Anmeldung per E-Mail an vera.beitner@deutsche-gesellschaft-ev.de).