Erklärung der FIR zur Europa-Wahl 2019

29. März 2019

Die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten hat eine Erklärung zur Europa-Wahl 2019 veröffentlicht. Ihre Mitgliedsverbände in fast allen europäischen Ländern und Israel, die Veteranen des antifaschistischen Kampes plädieren für ein Europa,

  • das jeder Form der rassistischen Diskriminierung oder der Fremdenfeindlichkeit entgegentritt,
  • das für vergleichbare Lebensbedingungen in allen Ländern eintritt, um erzwungene Arbeitsmigration aus den Notwendigkeit der Lebensbedingungen zu verhindern,
  • das sich für Flüchtlinge und Minderheiten einsetzt und allen eine menschenwürdige Behandlung garantiert,
  • das gegen jede Form von Nationalismus und separatistischen Bestrebungen eintritt und kulturellen Eigenheiten von Minderheiten und Regionen in Europa schützt,
  • das sich gegen jegliche Form von Holocaustleugnung, Verfälschung des Widerstandskampfes, Zerstörung von Gedenkorten, Geschichtsrevisionismus und Rehabilitierung von SS-Verbrechern einsetzt,
  • das eine soziale Politik gewährleistet, durch die allen Menschen Arbeit, Bildung, Ernährung und eine angemessene Wohnung garantiert wird als Basis für eine wirkliche Demokratie,
  • das eine Gemeinschaft im Interesse der Menschen darstellt und deutlich macht, dass Europa nicht auf die Herrschaft von Großbanken und Wirtschaftslobbyisten reduziert werden darf,
  • das für eine Friedenspolitik eintritt, die nicht auf hegemonialer Dominanz in der Außenpolitik, sondern auf nichtmilitärischer Konfliktlösung beruht.

Ein solches Europa ist möglich, wenn sich die Völker aktiv und vernehmbar für ihre Interessen einsetzen.

Zum Text der Erklärung >>>

Weißensee in der Novemberrevolution

1. März 2019


Wir laden ein zu einer Spurensuche mit dem Fahrrad
Samstag, 16. März 2019, 14 Uhr
Treffpunkt: Gedenkstein Rennbahnstraße 70 (neben Carglass®), 13086 Berlin


Junge Antifaschistinnen und Antifaschisten treffen sich an diesem Gedenkstein bereits am Freitag, 15. März 2019, 17:30 Uhr zu einer Gedenkkundgebung, mit der an die Opfer der Märzkämpfe von 1919 erinnert wird. >>>

Der Gedenkstein in der Rennbahnstraße

1. März 2019

Das Freikorps Hülsen besetzte am frühen Nachmittag des 14. März das „Spartakistennest“ Weißensee. Im Vorfeld gab es gezielte Falschmeldungen über „spartakistische Batterien“ und „spartakistische Putsche“ in Weißensee. Der Belagerungszustand wurde verhängt. Er sollte bis zum 17. März andauern. Das Hauptquartier des Freikorps Hülsen befand sich im „Auguste-Viktoria-Krankenhaus“ (heute Parkklinik Weißensee) in der Schönstraße. Anschläge verkündeten, dass es der Bevölkerung verboten sei, nach 7 Uhr abends die Straße zu betreten. An vielen Straßenkreuzungen, sogar auf Balkonen der Eckhäuser, waren Kanonen und Maschinengewehre aufgestellt.

Offenbar brachte das Freikorps auch einige Gefangene mit nach Weißensee. Am 15. März, „Nachmittags um fünf Uhr“ (wie das Weißenseer Sterbebuch verzeichnet) wurden dort an einer Mauer in der Rennbahnstraße auf einem damals unbebauten Gelände zwischen Weißensee und Heinersdorf vier Menschen „standrechtlich erschossen“.

Am Ort des Geschehens (heute Rennbahnstraße 70, neben Carglass®) erinnert seit vielen Jahren ein fast vergessener Gedenkstein an die vier Erschossenen. Wann der Gedenkstein errichtet wurde ist mir nicht bekannt. Auf ihm steht – was die Kennzeichnung als Spartakuskämpfer anbetrifft historisch nicht ganz korrekt – geschrieben:

AM 15. MÄRZ 1919
WURDEN HIER DIE SPARTAKUSKÄMPFER
WILLI ARNDT
IM ALTER VON 32 JAHREN
OTTO EBERT
IM ALTER VON 31 JAHREN
ERWIN WAGNER
IM ALTER VON 19 JAHREN
PETER WAGNER
IM ALTER VON 17 JAHREN
DURCH DIE SOLDATESKA
DER KONTERREVOLUTION ERMORDET

Nach einem Bericht der bürgerlichen „Weißenseer Zeitung“ habe es sich um „vier Personen gehandelt, die in Lichtenberg als Führer des Aufstandes und als Scharfschützen ermittelt und nach Weißensee mitgenommen worden waren“. Wie wahllos die Soldateska jedoch tatsächlich vorgegangen war, ist daraus zu ersehen, dass sich unter den Erschossenen der 32-jährige einarmige Willi Arndt befand, der gar kein Gewehr halten konnte und lediglich Samariterdienst bei den aufständischen Arbeitern versehen hatte.

Der in Berlin geborene Kaufmann Willi Arndt war bereits am 9. März gefangen genommen worden. Er wohnte in der Frankfurter Allee 304 und war verheiratet mit Emilia geborene Kressin. Ein Geburtsdatum ist nicht vermerkt, nur das Alter (32 Jahre alt). Sein Vater Max Arndt war Hausverwalter, seine Mutter war eine Pauline geborene Gottschalk, beide wohnhaft in Berlin. Er war evangelischer Religion.

Der in Stettin geborene Händler Otto Ebert wohnte im Kietzer Weg 16 in Lichtenberg und war mit Charlotte geborene Felsch verheiratet. Angaben über die Eltern sind nicht bekannt. Er war evangelischer Religion. Ein Geburtsdatum ist nicht vermerkt, nur das Alter (31 Jahre alt).

Die in Lüttich geborenen Erwin und Peter Wagner waren Brüder. Sie wohnten im Kietzer Weg 15 in Lichtenberg. Ein Geburtsdatum ist wiederum nicht vermerkt, nur das Alter (19 bzw. 17 Jahre alt). Beide waren ebenfalls evangelischer Religion. Ihre Eltern Hippolyt Wagner und Mathilde geborene Herzberger wohnten ebenfalls in Lichtenberg.

27. Januar: Erinnern für die Zukunft

18. Januar 2019

Am 27. Januar 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des KZ Auschwitz-Birkenau, des größten Vernichtungslagers der deutschen Faschisten.

Seit 1996 ist der 27. Januar in Deutschland als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ein bundesweiter, gesetzlich verankerter Gedenktag. Er erinnert an alle Opfer des Faschismus. – Die Vereinten Nationen erklärten im Jahr 2005 den 27. Januar zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust.

„Der 27. Januar soll dem Gedenken an die Opfer der Ideologie vom „nordischen Herrenmenschen“ und von den „Untermenschen“ und ihrem fehlenden Existenzrecht dienen. … Ich wünsche mir, daß der
27. Januar zu einem Gedenktag des deutschen Volkes, zu einem wirklichen Tag des Gedenkens, ja des Nachdenkens wird.“

(Bundespräsident Roman Herzog am 19. Januar 1996)

Das Datum erinnert auch an das Ende der Leningrader Blockade
(8. September 1941 bis zum 27. Januar 1944), die etwa 1,1 Millionen zivilen Bewohnern der Stadt das Leben kostete. Die meisten dieser Opfer verhungerten. Die Einschließung der Stadt durch die deutschen Truppen mit dem Ziel, die Leningrader Bevölkerung systematisch verhungern zu lassen, war eines der eklatantesten Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht während des Krieges gegen die Sowjetunion.


Im Stadtmuseum Sankt Petersburg ist das Tagebuch von Tanja Sawitschewa (30.01.1930 – 01.07.1944) zu sehen, einer russischen Schülerin, die ein Tagebuch führte, nur wenige Zeilen umfassend, und gerade deshalb ein erschütterndes Dokument:

  • Schenja starb am 28. Dezember um 12.00 vormittags 1941
    (28 декабря 1941 года. Женя умерла в 12 часов утра.)
  • Großmutter starb am 25. Januar, 3 Uhr nachmittags 1942
    (Бабушка умерла 25 января 1942-го, в 3 часа дня.)
  • Ljoka starb am 17. März um 5 Uhr vormittags 1942
    (Лёка умер 17 марта в 5 часов утра.)
  • Onkel Wasja starb am 13. April um 2 Uhr nach Mitternacht 1942
    (Дядя Вася умер 13 апреля в 2 часа ночи.)
  • Onkel Ljoscha am 10. Mai um 4 Uhr nachmittags 1942
    (Дядя Лёша 10 мая в 4 часа дня.)
  • Mutter am 13. Mai um 7.30 vormittags 1942
    (Мама — 13 мая в 7.30 утра.)
  • Die Sawitschews sind gestorben.
    (Савичевы умерли.)
  • Alle sind gestorben.
    (Умерли все.)
  • Nur Tanja ist geblieben.
    (Осталась одна Таня.)


Bereits am Freitag, 25.01.2019, 10.00 Uhr erinnert der Lichtenberger Bezirksbürgermeister Michael Grunst an der Gedenktafel im Rathaus Lichtenberg an die Opfer.

Am Sonntag, 27.01.2019 werden Mitglieder des Bezirksamtes an verschieden Orten des Bezirkes Kränze und Gebinde niederlegen, so um

11.00 Uhr am Gedenkstein für die Jüdische Synagoge, Konrad-Wolf-Straße 92 (Gedenkveranstaltung des Ardenne-Gymnasiums), anschließend an den Gedenksteinen für russische, niederländische und belgische Zwangsarbeiter auf dem Friedhof St. Hedwig, Konrad-Wolf-Str. und an der Gedenktafel für
Dr. Victor Aronstein, Werneuchener Straße 3

Um 17.00 Uhr wird im Museum Lichtenberg (Türrschmidtstraße 24) eine Ausstellung eröffnet – „Zuflucht Hoffnung – Bilder aus dem europäischen Exil“. Die 2015 in Griechenland aufgenommenen Fotos schlagen eine Brücke zwischen den Fluchtbewegungen des 20. Jahrhunderts infolge von rassistisch und ethnisch begründeter Vertreibung und der gegenwärtigen weltweiten Migration.

Ab 18.00 Uhr am Museum dann die Lichtaktion „Erinnern für die Zukunft“. Bis zum Morgen des 28. Januar 2019 werden auf der Giebelwand des Museums die Namen von mehr als 300 ermordeten und vertriebenen Lichtenbergerinnen und Lichtenbergern jüdischen Glaubens oder jüdischer Herkunft zu lesen sein.

>>> Zur Pressemitteilung des Bezirksamtes

 

Wir erinnern an …

13. November 2018

… Wieland Herzfelde (11.04.1896 – 23.10.1988)

Das Ehrengrab auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof und eine Ehrentafel an seinem Wohnhaus in der Woelckpromenade 5 in Weißensee halten das Andenken an den 98. Ehrenbürger Berlins lebendig: an Wieland Herzfelde, den pazifistischen Schriftsteller und sozialistischen Verleger, den Antifaschisten. Er wurde am 11. April 1896 im schweizerischen Weggis geboren. Dort hatte sein Vater, der wegen „Gotteslästerung“ aus Deutschland ausgewiesene Franz Held, eine neue Heimstatt gefunden.

Als Wieland drei Jahre alt war, verlor er seine Eltern. Zusammen mit seinem Bruder Helmut, der sich später John Heartfield nannte, wuchs er bei Verwandten in Deutschland auf. Mit dem Notabitur in der Tasche wurde er 1914 zum Sanitätsdienst eingezogen und in den Krieg geschickt, doch bereits bald darauf – „nicht würdig, des Kaisers Rock zu tragen“ – in Unehren entlassen.

Ab 1916 gab er in Berlin gemeinsam mit dem bekannten Antikriegszeichner George Grosz die Monatszeitschrift „Neue Jugend“ heraus, die er programmatisch mit Johannes R. Bechers Gedicht „An den Frieden“ eröffnete. Nachdem das Blatt 1917 verboten worden war, wurde Herzfelde erneut an der Front eingesetzt. Er desertierte, wurde verhaftet und in eine Strafkompanie gesteckt.

Im März 1917 hatten Grosz und Heartfield in Berlin den Malik-Verlag gegründet, genannt nach seiner ersten Neuerscheinung, dem Roman „Der Malik“ von Else Lasker-Schüler. 1918 übernahm Wieland Herzfelde die Leitung des Verlags und machte ihn zu einem Unternehmen von Weltruf, führend in der Herausgabe proletarisch-revolutionärer und bürgerlich-sozialkritischer Literatur aus Deutschland und anderen Ländern. Das Spektrum der russischsprachigen Autoren beispielsweise reichte von Leo Tolstoi und Maxim Gorki über Isaak Babel bis zu Ilja Ehrenburg und Wladimir Majakowski. Berühmt wurden die von Herzfelde zusammengestellten Anthologien „Dreißig Erzähler des neuen Russland“ (1928) und „Dreißig Erzähler des neuen Deutschland“ (1932).

Die KPD war an der Jahreswende 1918/19 kaum gegründet, da trat Herzfelde gemeinsam mit seinem Bruder bei. Bei den Märzunruhen 1919 wurde er verhaftet und nach Plötzensee verbracht; darüber veröffentlichte er seinen Erlebnisbericht „Schutzhaft“. 1919 bis 1923 gab er zusammen mit John Heartfield und George Grosz die Zeitschrift „Die Pleite“ heraus. Im Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller war er eines der ersten Mitglieder.

Im März 1933 zur Emigration gezwungen, führte er im Prager Exil den Malik-Verlag weiter, leitete gemeinsam mit F.C. Weiskopf den Bert-Brecht-Club und gab zusammen mit Anna Seghers, Oskar Maria Graf und Jan Petersen 1933 bis 1935 die „Neuen Deutschen Blätter — Monatsschrift für Literatur und Kritik“ heraus. 1939 über die Schweiz in die USA entkommen, arbeitete er dort als Buchhändler und wurde 1943 zum Mitbegründer des Verlags „Aurora“, eines Gemeinschaftsunternehmens von elf antifaschistischen Schriftstellern.

Im Februar 1949 kehrte Wieland Herzfelde nach Deutschland zurück. An der Leipziger Universität übernahm er eine Professur für Literatursoziologie. Im gleichen Jahr wurde sein autobiographischer Erzählband „Immergrün“ veröffentlicht (1958 in erweiterter Fassung). Eine Auswahl seiner Gedichte „Im Gehen geschrieben“ erschien 1956, eine Sammlung von Kurzprosa und Versen 1961 unter dem Titel „Unterwegs“. 1972 wurde er Ehrenpräsident des PEN-Zentrums DDR, 1986 Berliner Ehrenbürger. Am 23. November 1988 verstarb er in Berlin.

Prof. Dr. Gerhard Fischer (†)

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